Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

Dicke Luft zum Auftakt

Erstes Zukunftsforum im Kilianeum-Haus der Jugend – Rund 130 Teilnehmer tauschen sich über ihre Visionen für das Bistum Würzburg aus – Impulsreferat von Professor Dr. Dr. Michael Ebertz

Würzburg (POW) Am Ende des ersten diözesanen Zukunftsforums am Samstag, 14. Oktober, hat Domkapitular Thomas Keßler, Ständiger Vertreter des Diözesanadministrators, vor den rund 130 Teilnehmern aus dem gesamten Bistum ein gemischtes Fazit gezogen. Im Kilianeum-Haus der Jugend in Würzburg diskutierten die Frauen und Männer nach einem einführenden Referat des Freiburger Theologen und Soziologen Professor Dr. Dr. Michael N. Ebertz über ihre Vision für die „Pastoral der Zukunft“. „Es läuft nicht alles rund. Aber wir sind miteinander auf dem Weg. Und da ist es wichtig, dass wir miteinander streiten und ringen, auch wenn einige der Punkte auch schon vor 20 Jahren bei ,Wege suchen im Gespräch' angesprochen wurden“, sagte Keßler. Diözesanratsvorsitzender Karl-Peter Büttner bilanzierte, er hoffe, dass die beim Zukunftsforum geübte Synodalität im Bistum Würzburg zur Haltung werde. Unter anderem benannten die Teilnehmer bei der Suche nach in ihren Augen wichtigen Mosaiksteinen für die Zukunft der Kirche als „be-Geist-ertes Volk Gottes unterwegs“, „Ort der Beunruhigung mit antisedativer Grundhaltung“, „Kirche für die Welt“, geprägt von der „Freiheit der Töchter und Söhne Gottes“.

Zum Auftakt der Veranstaltung betonte Diözesanadministrator Weihbischof Ulrich Boom, dass Kirche mehr sei, als die Menschen darunter verstünden. Er ermunterte zudem, sich an den Partnerbistümern Óbidos in Brasilien und Mbinga in Tansania ein Beispiel zu nehmen, die zwar nicht die Mittel und Möglichkeiten wie die deutschen Bistümer hätten, aber die „Leichtigkeit des Evangeliums“ lebten.

Sichtlich überrascht waren Moderator Dr. Rainer Dvorak und Ebertz, Lucia Segler und Professor Dr. Thomas Schmidt vom begleitenden Team „Trialog“, als Dr. Michael Wolf – abweichend von der versandten Tagesordnung – im Namen des Diözesanrats die am Vorabend von der Vollversammlung im Exerzitienhaus Himmelspforten formulierten Forderungen zur „Pastoral der Zukunft“ und die Kritik am bisherigen Prozess vortrug. Die Kommunikation sei unzureichend, die Delegierten zu knapp vorher über den Tagesablauf informiert worden und der Diözesanrat inzwischen vom handelnden Subjekt zu einem Objekt in einem Prozess geworden, in dem die Verantwortlichkeiten ständig wechselten. Mehrere Mitglieder des Diözesanrats votierten im Anschluss dafür, den geplanten Tagesablauf komplett zu kippen. „Der neue Bocksbeutel ist schon in Form gegossen und geht in Massenproduktion, wir sollen jetzt den Wein liefern und verkaufen“, machte ein Teilnehmer des Zukunftsforums seinem Unmut Luft. Das Team von Trialog warb um Vertrauen. „Wir sind Begleiter und Lotsen“, betonte Ebertz.

Wie er und seine Kollegen den im Mai übernommenen Auftrag der Begleitung des Prozesses „Pastoral der Zukunft“ verstehen, verdeutlichte der Freiburger Professor in seinem Impulsvortrag. „Es muss bei solchen Projekten auch zu Widersprüchen, zu unterschiedlichen Interessen und zu Spannungen unterschiedlicher Logiken kommen.“ Es könne allerdings evangeliumsgemäß sein, sich „gegen das Gewohnte“ zu richten. Empirische Untersuchungen zeigten, dass es häufig Finanzprobleme seien, die bei den Bistümern und Landeskirchen als Krise gedeutet würden und den Ausschlag für Reformanstrengungen gäben – „nicht Mitgliederrückgänge, schlechtes Image, Blockaden in den Organisationsabläufen, spirituelle Entkräftung oder gar theologische Reflexionen“. Speziell in der katholischen Kirche zwinge zugleich der radikale Einbruch beim Priesternachwuchs zu massiven Reformprozessen.

Laut Ebertz seien Priester- wie Finanzmangel letztlich nur Symptome der Erosion des bisherigen Sanktionskonzepts der Kirche. Soziale Kontrolle durch die Nachbarschaften gebe es nicht mehr, und auch das Drohpotential der Hölle sei abhanden gekommen. Die Kirche sei herausgefordert, ihren Beziehungsmodus von Zwang auf Angebot, von Drohung auf Leistung, von Befehl auf Anreiz umzustellen. „Eine zukunftsfähige Kirche ist ohne diese Umstellung auf Beziehungsmodus nicht zu haben.“

Auch zwischen Familie und Kirche habe sich Wesentliches verschoben „Eltern lassen zwar noch mehrheitlich ihre Kinder taufen, aber sie erbringen kaum noch religionspädagogische Vorleistungen im Sinne der Kirche“, sagte Ebertz. Das herkömmliche Wachstum der Kirche als „Nachwuchskirche“ sei nicht mehr gesichert. Die Leitfrage bei den Überlegungen zur „Pastoral der Zukunft“ im Bistum Würzburg müsse daher sein, wie die Diözese so weiterentwickelt werden könne, dass das Zielprogramm nicht Schrumpfungsprozesse befördere, sondern Kirchenwachstum begünstige. Dafür sei es unerlässlich, dass Kirche attraktive Angebote mache, biographische Erfahrungen mit biblischer Orientierung und Vergewisserung zu verschränken. Eine Kirche, die wachsen wolle, braucht nach Ebertz Meinung einen Traditionsaufbruch in der Form, dass die Kirche zu den Menschen unterschiedlicher Milieus aufbreche und nicht in sich selbst ruhe oder sich milieuverengt einkapsele. Zugleich müsse Tradition so aufgebrochen werden, dass sie je nach ihrer Relevanz für die Menschen an den jeweiligen konkreten Orten geprüft werden könne. Gemeinsam Kirche sein sei ohne die Caritas nicht möglich, müsse ökumenisch orientiert sein und außerkirchlich in „durchaus auch kritischen Kooperation mit allen zivilgesellschaftlichen Initiativen ,guten Willens‘ an der Reich-Gottes-Werdung mitbauen“. „Wachstum ist mehr als das Zusammenwachsen des Bestehenden, das in den momentanen Fusionierungsprozessen Energien frisst und nach innen lenkt“, hob Ebertz hervor. Es gelte, Kirche in den Spannungsfeldern von Weite und Gemeinschaft einerseits sowie Partizipation und hierarchischer Struktur auf der anderen Seite weiterzuentwickeln.

mh (POW)

(4217/1137; E-Mail voraus)

Hinweis für Redaktionen: Fotos abrufbar im Internet