Amorbach (POW) Nachhaltig beeindruckt hat sich Bischof Dr. Franz Jung von seinem Besuch in der Theresia-Gerhardinger-Realschule in Amorbach (Landkreis Miltenberg) am Freitag, 22. September, gezeigt. „Dieser Ort ist ein echtes Biotop. Ein tolles, neues, lichtdurchflutetes Schulhaus, engagierte Lehrkräfte und im positiven Sinn unverstellte, offene Schülerinnen und Schüler“, lautete das Fazit des Bischofs nach einem Vormittag beim abschließenden Gespräch mit Schulleiter Christoph Joa-Giegerich und seiner Stellvertreterin Christiane Zillner.
Zum Beispiel, weil beim Rundgang durch die Schule, auf dem ihn Jürgen Engel, Leitender Schulamtsdirektor im Kirchendienst, begleitete, in der Klasse für Betriebswirtschaftslehre und Rechnungswesen ein Schüler frei weg von der Leber vom Besucher aus Würzburg wissen wollte: „Wie wird man eigentlich Bischof?“ Es sei kein Berufsziel gewesen, erklärte Bischof Jung. Nach dem Studium der Theologie, der Priesterweihe, Stationen als Kaplan und Abteilungsleiter in der Verwaltung des Bischofs habe er eine Zeit lang als Generalvikar, als ständiger Vertreter des Bischofs seines Heimatbistums Speyer, gearbeitet. „Vielleicht habe ich das nicht schlecht gemacht. Eines Tages hat mich der Nuntius, der Vertreter des Papstes in Deutschland, angerufen und mich gefragt, ob ich Bischof von Würzburg werden möchte.“
Im Musiksaal lief gerade ein Video des Ludwigshafener Rappers Apache 207 auf der Leinwand. Schnell war der Bischof mit den Mädchen und Jungen im Gespräch über seine und Apaches Heimatstadt Ludwigshafen. Im Computerraum wollte Bischof Jung von den beiden Schülersprechern wissen, wie sie den Fernunterricht in der Coronazeit erlebt hätten. „Die Lehrer haben sich sehr engagiert, innerhalb kürzester Zeit gab es feste Routinen für virtuelle Klassenrunden am Morgen und Arbeitsaufträge. Das hat bei anderen Schulen, von denen wir wissen, nicht immer so geklappt.“
Viel Spaß auf beiden Seiten war beim Austausch mit Schülerinnen und Schülern im Fachraum für Biologie zu spüren, wo das Thema „Haustiere“ auf dem Plan stand. Wer alles ein Haustier hat und welches, wollte der Bischof wissen. Schnell wurde ihm da von Hunden, Katzen und Fischen, aber auch Würgeschlangen, Schildkröten berichtet – und einer zugelaufenen Maus. „Die hat aber nur einen halben Tag überlebt. Die Katze…“, erzählte ein Mädchen.
In Zusammenarbeit mit dem Landkreis betreibt die Schule auch eine Stelle für Jugendsozialarbeit. Mit welchen Problemen sie in ihrer Arbeit am häufigsten konfrontiert werde, wollte der Bischof von Sozialpädagogin Manuela Imhof wissen. „Einsamkeit ist das größte Problem“, berichtete diese. Viele Angebote wie Sportvereine oder Feuerwehr seien in der Coronazeit eingeschlafen, zudem fänden große Teile der Freizeit heute im Digitalen statt, so dass sowohl unter Gleichaltrigen als auch innerhalb der jeweiligen Familie weniger Zeit gemeinsam verbracht werde.
„Mein Sohn fühlt sich hier einfach wohl“, „Man merkt hier einfach einen guten Zusammenhalt“ und „Ich war selbst schon Schülerin hier“, lauteten Stimmen beim Austausch mit dem Elternbeirat. Es werde schwerer, Eltern zu finden, die sich bei Schulveranstaltungen zum Beispiel beim Kuchenverkauf engagieren. Schön sei aber, dass die Schule für die Abschlussklassen Projektwochen anbiete, bei denen wichtige Themen wie Erste Hilfe, das knigge-richtige Auftreten, die persönlichen Finanzen oder sinnvolle Versicherungen für Berufsanfänger thematisiert würden. „Und es gibt hier noch immer, wie zu unserer Schulzeit, Klassengottesdienste mit anschließendem Frühstück. Das ist toll für die Gemeinschaft“, attestierte eine Mutter.
Auch mit zwei Vertretern der Mitarbeitervertretung (MAV) und dem gesamten Lehrerkollegium tauschte sich der Bischof aus. Letzteres ist nach einem Umbruch vor wenigen Jahren inzwischen ausgesprochen jung, nur wenige Lehrkräfte sind älter als 40. Die Coronafolgen seien bei einigen der jüngsten Fünftklässler deutlich zu spüren gewesen, die an die Realschule wechselten, erfuhr er. Sie hätten Defizite vor allem in Deutsch und Mathematik mitgebracht. „Wir hoffen, dass Sie uns in Würzburg nicht vergessen. Erhalten Sie unsere Schule“, appellierte eine Lehrerin an den Bischof.
Auftakt der Begegnung war ein Gottesdienst zum Schulbeginn, den der Bischof in der Pfarrkirche Sankt Gangolf mit Schülern und Lehrern feierte. Dieser stand unter der Überschrift „Jeder Mensch ist unendlich wertvoll“. Jungen und Mädchen der Schule gestalteten die Feier musikalisch, mit dem Vortragen von Fürbitten, als Ministranten oder mit einem szenischen Spiel mit. Bischof Jung legte die biblische Erzählung von der Begegnung des Zöllners Zachäus mit Jesus aus. „Manchmal braucht es jemanden wie Jesus, der auf einen zugeht und ihm die Chance gibt, sich von einer anderen Seite zu zeigen.“ Die Überraschung gelinge Jesus. Zachäus zeige, dass er ein Herz hat. „Es kommt ein Mensch zum Vorschein, der mehr gibt, als er nimmt, der richtig liebenswert ist, der wieder gutmachen will, was er Böses getan hat.“ In der Klasse gebe es feste Rollen: den Klassenclown, den Musterschüler, den Mitläufer. Es sei eine Kunst, miteinander so umzugehen, dass jeder und jede auch einmal ganz er oder sie selbst sein könne, ohne in eine Rolle gepresst zu werden, betonte der Bischof. Am Ende des Gottesdienstes spendete er gemeinsam mit Pfarrer Christian Wöber den Fünftklässlern einzeln den Segen.
Stichwort: Theresia-Gerhardinger-Realschule
Die Theresia-Gerhardinger-Realschule Amorbach ist eine staatlich anerkannte Realschule in Trägerschaft des Bistums Würzburg, die von den Armen Schulschwestern gegründet wurde. Aktuell werden dort 338 Schülerinnen und Schüler in 15 Klassen von 35 Lehrkräften unterrichtet. Ab der siebten Jahrgangsstufe werden die Zweige mathematisch-naturwissenschaftlich, betriebswirtschaftlich, sprachlich und hauswirtschaftlich angeboten. In Zusammenarbeit mit der örtlichen Mittelschule gibt es im Haus eine offene Ganztagsbetreuung. Das Mittagessen hierfür liefert das Jugendhaus Sankt Kilian in Miltenberg. Voraussichtlich 76 Schüler werden in diesem Schuljahr ihren Abschluss machen. Kerneinzugsgebiet der Schule sind die Orte Amorbach, Kirchzell, Schneeberg und Weilbach, der weitere Einzugsbereich erstreckt sich bis Collenberg und Trennfurt, auch einige Schüler aus dem nahen Baden besuchen die Einrichtung. Zum festen Programm zur Stärkung der Schul- und Klassengemeinschaft gehören Kennenlerntage, ein Skikurs, eine Studienfahrt nach Weimar, Besinnungstage und eine Abschlussfahrt. Außerdem gibt es jährlich einen Wintersporttag in der Eissporthalle Aschaffenburg, Klassen- und Schulgottesdienste, den Tag der offenen Tür, ein Sommerfest sowie im Mai den „Theresia-Gerhardinger-Tag“, bei dem sich die Schüler mit der seligen Ordensfrau beschäftigen, die Namensgeberin der Schule ist. Die unteren Jahrgangsstufen besichtigen beispielsweise Kirchen in der Umgebung, die oberen Klassen bekommen unter anderem Informationen zu beruflichen Möglichkeiten in der Kirche.